Die Vögel zwitschern, die Blätter rascheln und der Wind bewegt die Gräser auf den Feldern in sanften Wellen. Ein Eichhörnchen klettert geschickt einen Baum hoch. Szenen wie diese sind für mich die reinste Entspannung.

Schon fällt der Alltagsstress von mir ab. Hier, unterhalb des Bahnsteigs TU-/Lichtwiese, holt mich Leslie Frotscher ab. Die 44-Jährige ist Diplom-Ingenieurin für Landschaftarchitektur, Natur- und Umweltpädagogin sowie zertifizierte Kräuterfrau und Permakulturdesignerin.
Das klingt alles fürchterlich kompliziert, bedeutet aber im Grunde erst einmal nichts anderes, als dass Leslie Frotscher sich sehr gut mit Pflanzen auskennt.

Nach der Begrüßung gehen wir ein Stück in den Wald hinein und schon begegnen wir den ersten Pflanzen, die mir meine Kräuterführerin vorstellt. Drei große herzförmige Blätter, die mich an überdimensionierten Klee erinnern breiten sich als Strauch am Wegesrand aus. Wir probieren eines der Blätter dieses Waldsauerklees und der Geschmack erinnert mich an Sauerampfer, den ich so gerne gegessen habe, als ich noch klein war.

Auch als Deko eignen sich Wildkräuter hervorragend

Genau daneben finden wir Gundermann, dessen Ranken zarte lila Blüten haben und auch Erdefeu genannt werden. Der kräftig würzige Geschmack, schwärmt mir meine Kräuterführerin vor, paare sich sehr gut mit milden Kartoffeln oder Auberginen. Das Erdefeu werde auch gerne zum Dekorieren verwendet. „Wenn man die Blätter in Schokolade taucht und kalt werden lässt, macht sich das super auf einem Kuchen.” Noch bevor ich mir richtig vorstellen kann, wie Erdefeu auf einer Schwarzwälder Kirschtorte so schmeckt, entdecken wir schon die nächsten Pflanzen.

Leslie Frotscher erklärt mir, in welchen Gerichten die Kräuter gut schmecken und wie sie in der Heilpflanzenkunde Verwendung finden. „In Maßen und nicht in Massen“ lautet ein wichtiger Grundsatz dabei, denn Heilkräuter haben die Angewohnheit, bei einer Überdosierung das genaue Gegenteil zu bewirken: Hirtentäschel führt in geringer Dosierung zum Absenken des Blutdrucks, bei hoher Dosierung lässt es jedoch den Blutdruck steigen.

Als man die Inhaltsstoffe der Pflanzen noch nicht analysieren konnte, wurde ihre Wirkungsweise vom Standort und ihrem Aussehen hergeleitet. Die krugförmigen Kelche des streng riechenden Ruprechtskrauts z.B. erinnern an Storchenschnabel, daher auch der umgangssprachliche Name „stinkender Storchenschnabel”. Aufgrund der Ähnlichkeit zum namensgebenden Vogel sagte man dem Ruprechtskraut eine fruchtbarkeitssteigernde Wirkung nach.

Auf dem Weg zurück zum Waldrand finden wir eine kleine Schafgarbe, als Leslie Frotscher sich bückt um nach einem Blatt der Pflanze zu greifen, fällt mir die dringliche Warnung meiner Eltern ein. „Was ist eigentlich mit dem Fuchsbandwurm”, frage ich die Expertin. Sie hat diese Frage schon oft gehört und eine beruhigende Antwort parat: „Die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Waldbeere oder -pflanze diesen gefährlichen Parasiten einzufangen, geht gegen Null.” Ich bin beruhigt und verabschiede mich von Leslie Frotscher. Ich habe Einiges an Pflanzenwissen dazu gewonnen, trauere aber noch ein bisschen den Heidelbeeren und Walderdbeeren nach, die ich mich nie getraut habe zu essen.

Veröffentlicht auf FRIZZ Magazin Darmstadt

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