In der Popkultur werden die Götter aus Asgard immer beliebter, das bekannteste Beispiel hierfür ist wahrscheinlich Marvels „Thor“, der mittlerweile drei eigene Filme hat und in mehreren anderen Werken des Marvel Filmuniversums ebenfalls auftritt. Aber auch in populären Fernsehserien wie „Vikings“ oder „American Gods“ spielen die nordischen Götter eine große Rolle.

Doch wie kommt es eigentlich, dass dieser Glaube wieder so beliebt wird? Was macht die Faszination an Asgard, Walhalla, Ragnarök und Co. aus?

Das Neuheidentum

Nachdem sich der christliche Glaube in Europa durchgesetzt hat, stand das Ausüben der nordischen bzw. germanischen Mythologie lange Zeit unter Strafe. Doch seit einigen Jahren gibt es einen Trend zurück zum so genannten Heidentum. So wurde beispielsweise 2015 in Reykjavík der erste isländische Heidentempel seit der Wikingerzeit gebaut. Und die Anhänger des Asen-Glaubens sollen sich innerhalb von 15 Jahren in Island verfünffacht haben.

Für den Glauben an Asgard, den Wohnort der nordischen Asen-Götter, die germanischen Götter selbst und nordische Helden gibt es viele Namen: Asatru, Neuheidentum, Odinismus. Generell lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: die rechts orientierten nationalistisch-völkischen und die eher links orientierten inklusivistisch-universalisitischen, erklärt Religionswissenschaftler Tobias Köhler von der Universität Heidelberg. Zu letzteren zählt sich auch der Verein der germanischen Heiden. Den Ursprung für das Aufleben des Heidentums in Deutschland sieht der Vorsitzende Haimo Grebenstein in der 68er Bewegung. Diese sei schließlich nicht nur politisch sondern auch spirituell gewesen und habe eine Hinwendung zu verschiedenen Religionen hervorgerufen.

„In den Augen der Universalisten ist das Heidentum eine Entscheidung, die jeder treffen kann“, erzählt Köhler. Der völkische Teil sieht den Ursprung nationalistischer und es lassen sich viele Parallelen zum Nationalsozialismus ziehen. Die Hauptgemeinsamkeit ist, dass dieser Glaubensrichtung die Vorstellung einer Überlegenheit der „arischen Rasse“ zu Grunde liegen, daher wird sie auch „ariosophisch“ genannt.

Die zwei Eddas

Beide Richtungen nehmen Bezug auf die zwei Eddas, also der Lieder- und der Prosaedda. Der Begriff kommt wahrscheinlich von der nordischen Übersetzung des lateinischen Worts editio, also Herausgabe.Bei der Prosaedda handelt es sich um ein Lehrbuch für Skalden, also altnordische Dichter. Es wurde von Snorri Sturluson für den norwegischen König Hákon Hákonarson und den Jarl Skúli verfasst. Die Prosaedda ist in drei Teile gegliedert und erklärt anhand von alten Heldenliedern mythologische Grundlagen. Die Liederedda gilt als bekanntere Edda und beinhaltet viele der Lieder und Strophen, auf die sich die Prosaedda bezieht.

Diese Werke wurden allerdings im 13. Jahrhundert in Island verfasst – also nach der Christianisierung. Somit sind keine Dokumente von praktizierenden Heiden erhalten. Daher müssen viele Rituale heute neu erfunden oder angepasst werden, zum Teil um in die heutige Gesellschaft zu passen und zum anderen um die Lücken zu füllen, die durch die mangelhafte Überlieferung entstanden sind. „Unser Vereinsfokus ist nicht die Rekonstruktion, sondern die Reinvention. Wir versuchen damit, ein heidnisches Weltbild in die heutige Zeit zu transportieren,“ erklärt Haimo Grebenstein vom Verein der germanischen Heiden.

Heidentum in der heutigen Zeit

Die Ursache des gestiegenen Interesse an der nordischen Mythologie sieht er in unserer „relativ langweiligen Welt“, in der man sich kaum identifizieren könne. Auch eine „Fabelwelt“, wie sie in der nordischen Mythologie beschrieben wird, käme da gerade gelegen. Ein besonders wichtiges Kennzeichen des Heidentums sieht er vor allem darin, dass jeder, zum Beispiel durch Opfergaben, direkt daran teilnehmen kann. Tobias Köhler sieht die Faszination gerade darin, dass sich Anspielungen und Darstellungen von nordischen Gottheiten und Sagen in verschiedenen Zusammenhängen finden lassen. „Die Sagen sind sehr derb verfasst und handeln von fehlbaren Wesen mit menschlichen Zügen”, erklärt Tobias Köhler. Dadurch könne man viele Inhalte der nordischen Mythologie gut nachvollziehen.

Generell ist es so, dass die polytheistischen Religionen, also Glaubensrichtungen mit mehreren Göttern, wieder mehr Zulauf erhalten. In Griechenland und Italien steigt das Interesse an der griechischen und römischen Mythologie seit einigen Jahrzehnten wieder. Die Zahl der Kirchenmitglieder hingegen sinkt gerade in Deutschland stetig.

Trotz allem ist die Mitgliederzahl der germanischen Heiden nicht nennenswert gestiegen. Haimo Grebenstein berichtet, dass von der Popkultur hauptsächlich jüngere Leute zum Verein kämen und sie daher einen relativ großen Durchfluss an jungen Leuten die wieder austreten verzeichnen. Noch vor einigen Jahren kam die Aufmerksamkeit von Anhängern des Pagan Metals, heute eher von Fans der Filme und Serien. Die Situation der Heiden in Deutschland sei zudem schwierig, da es viele Vorurteile gegen die Anhänger der nordischen Mythologie gebe und sie oft mit Nazis gleichgesetzt oder als Spinner abgetan würden.

Traditionen und Rituale

In der Szene gibt es einige Traditionen und Rituale, die nicht übernommen wurden – allen voran die Tieropfer. In der deutschen Heidenszene werden diese heutzutage von Symbolopfern ersetzt. So ist der traditionelle Juleber heute ein Gebildbrot, also ein Gebäck in Form eines Ebers, Darstellungen das zum Julfest gebacken wird. In Skandinavien und den USA sind Tieropfer zwar auch eher eine Seltenheit, kommen aber noch vor.

Am häufigsten findet sich die Tradition der Opfergaben heute auf den Hausaltaren wieder, die es bei vielen Heiden gibt. Dort werden häufig Kräuter und Räucherwaren dargeboten. Aber auch Dinge, die sich auf Spaziergängen durch die Natur finden lassen, sind beliebte Gaben. Wobei Haimo Grebenstein lachend ergänzt: „Das Opfer soll nicht nur eine kleine Geste sein, sondern es soll auch wirklich was bedeuten. Heute müsste man eigentlich sein iPhone ins Feuer schmeißen.”

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